Justiz im Dialog: Nicht mehr „Im Namen des Volkes“?

Saarbrücken. Wie geht die Justiz mit öffentlichem Druck um? Vor welchen neuen Herausforderungen für die Öffentlichkeitsarbeit stehen die Gerichte? Kann ein Richter, dessen Verfahren von großem öffentlichem Druck begleitet ist, noch wirklich unabhängig und unbeeinflusst entscheiden?

Diese Fragen diskutierten in Saarbrücken, unter Moderation des Direktors des Amtsgerichts Ravensburg Matthias Grewe, die Gerichtsreporterin Uta Eisenhardt, der ehemalige Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf Ottmar Breidling und der frühere Richter und heutige Staatssekretär im saarländischen Innenministerium Christian Seel vor etwa 75 Zuhörern.

Einigkeit bestand im Podium, dass der öffentliche Druck aufgrund der Schnelllebigkeit in den sozialen Medien und der Veränderung in der Medienlandschaft erhöht wurde, die Widerstandsfähigkeit unter der Richterschaft aber sehr hoch sei. Seel warf zudem die Frage auf, ob nicht ehrenamtliche Richter einem größeren Druck ausgesetzt sind. Dennoch sollte öffentlicher Druck nicht nur negativ verstanden, sondern als Chance betrachtet werden, die eigene Entscheidung in Zweifel zu ziehen und berechtigte Kritik bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen, um dann trotz allem unabhängig zu einem Ergebnis zu kommen.

Das Verhältnis zur Presse

Breidling erklärte, dass er sich insbesondere aufgrund der Negativ-Berichterstattung zu Zeiten der RAF-Prozesse dazu entschied „nicht der Büttel der Medien zu sein“. Dennoch diene die Beobachtung der Medien auch dazu, eigenes Verhalten zu reflektieren. Er plädierte dafür, dass Richter ein gewisses „Verkaufsprogramm auflegen“ (oder „Litigation-PR“ betreiben) sollten, um das Verhältnis zur Presse zu verbessern, womit sich auch ungenaue oder fehlerhafte Berichterstattung vermeiden lasse. So habe er zu Beginn jeder Sitzung den Medien den Prozessablauf erläutert oder Missverständnisse aus vorangegangener Berichterstattung klargestellt.

Eisenhardt meinte, dass juristische Begriffe durch „Nicht-Juristen“ neu besetzt werden müssten, um sie verständlicher zu machen. So seien Formulierungen wie „Sicherungsverwahrung psychisch kranker Menschen“, „forensisches Krankenhaus“ oder aber „Maßregelvollzug“ der Öffentlichkeit schwer verständlich. Der Begriff „schädliche Neigungen“ erinnere mehr an Ungeziefer und der eigentlich Betroffene könne damit nichts anfangen.

Verständliche Sprache

Dieser Punkt wurde auch vom Publikum aufgegriffen. Eine verständliche Sprache im Umgang mit den Parteien während der Verhandlung sollte selbstverständlich sein. Aber ein Urteil, so betonten die anwesenden Richter, müsse sich scharf am Wortlaut des Gesetzes orientieren. Das Podium bedauerte, dass von Juristen erwartet werde, dass sie sich stets erklären, wohingegen andere wissenschaftliche Disziplinen sich ebenfalls ihrer Fachsprache bedienen und dies generell keine Kritik erfährt. Der Gesetzgeber sei aber aufgerufen, so Stimmen aus dem Publikum, unpassende oder nicht mehr zeitgemäße juristische Termini zu überarbeiten.

Ebenso wie der Druck der Öffentlichkeit von außen müsse auch der Druck von innen beachtet werden, der aus der Überlastungssituation resultiere. Er lasse für die Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte oft keinen Raum, betonte Breidling.

„Justiz muss erklärbar sein“

Einig war man sich auf dem Podium und im Publikum, dass der Kontakt zwischen Gericht und Medien wichtig sei. In der Regel beschäftigen Gerichte Richter als Pressesprecher, die spezielle Schulungen erhalten. Eisenhardt verwies aber auch darauf, dass in Berlin ausgebildete Journalisten neben Richtern als Pressesprecher eingesetzt werden.

„Justiz muss erklärbar sein“ und sie muss den „richtigen Dreiklang“ finden: zweifeln – entscheiden – erklären, so drückte es Seel aus. Und darin bestand am Ende Einigkeit.

Ansprechpartner

Bild von Matthias Schröter Matthias Schröter Pressesprecher
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