Berlin. Bund und Länder haben vereinbart, dass Asylgerichtsverfahren künftig in drei bis sechs Monaten abgeschlossen sein sollen. Nach Ansicht des Deutschen Richterbundes (DRB) ist das Ziel „sehr ambitioniert“ und von den meisten Verwaltungsgerichten kurzfristig nicht zu erreichen. Ohne deutliche personelle Verstärkung für die Verwaltungsgerichte werde es nicht gehen, schreibt DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn in einem Gastbeitrag im Kölner Stadt-Anzeiger.
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder und der Bundeskanzler fordern mehr Tempo von Behörden und Gerichten in Asylverfahren. Für Angehörige von Staaten mit geringer Chance auf ein Bleiberecht sollen Gerichtsverfahren künftig nicht länger als drei Monate dauern. In allen anderen Fällen sollen es höchstens sechs Monate sein. Ist das zu schaffen?
Die aktuellen Bearbeitungszeiten der Gerichte sind von den politisch angestrebten Fristen überwiegend noch weit entfernt: Sie liegen zwischen 3,5 Monaten in Trier und 38,5 Monaten in Cottbus, wie eine Umfrage der „Deutschen Richterzeitung“ bei allen Verwaltungsgerichten ergeben hat. Allerdings stimmt die Richtung, die Verfahrensdauern sind deutlich rückläufig. Haben erstinstanzliche Asylklagen 2022 im bundesweiten Schnitt noch 20 Monate gedauert, ist die Laufzeit in diesem Jahr auf rund 17 Monate gefallen. Mit Abstand am schnellsten entschieden wird in Trier. Auf Platz zwei liegt Saarlouis, wo das Verwaltungsgericht seine Asylverfahren im ersten Halbjahr 2023 im Schnitt in 9,8 Monaten abgeschlossen hat, nachdem die Verfahrensdauer 2022 noch bei durchschnittlich 12,2 Monaten gelegen hatte.
Positiver Trend in Nordrhein-Westfalen
Ebenfalls positiv ist der Trend in Nordrhein-Westfalen, wo die Gerichte Asylklagen im zweiten Quartal 2023 in 17,9 Monaten erledigt haben (2022: 20 Monate). Schlusslicht bundesweit hingegen ist Brandenburg. Dort benötigen die Verwaltungsgerichte aktuell im Schnitt 35,3 Monate für die Erledigung eines Verfahrens (2022: 37,6 Monate). Auch in Hessen dauern Asylsachen mehr als 30 Monate. Nach 30,7 Monaten für das Jahr 2022 geben die hessischen Gerichte für das erste Halbjahr 2023 im Schnitt 30,1 Monate an.
Das sehr ambitionierte Ziel der Politik, Asylklagen in einfach gelagerten Fällen in drei Monaten und bei komplexeren Sachverhalten in sechs Monaten abzuschließen, ist für die meisten Verwaltungsgerichte kurzfristig kaum zu erreichen. Wenn Bund und Länder jetzt dennoch massive Verfahrensbeschleunigungen ins Schaufenster stellen, müssen sie kräftig in die Justiz investieren. Sonst wecken sie falsche Erwartungen.
Ohne deutliche personelle Verstärkungen für die Verwaltungsgerichte wird es nicht gehen. Es braucht flächendeckend gut ausgestattete Gerichte, um Asylklagen zwar zügiger, aber weiterhin mit einer hohen Qualität des Rechtsschutzes für die Betroffenen bearbeiten zu können. Auch eine Konzentration von Asylsachen bei zentral zuständigen Gerichten bietet Potenzial, wie das Beispiel des bundesweit schnellsten Verwaltungsgerichts Trier zeigt. Dort werden alle erstinstanzlichen Asylfälle in Rheinland-Pfalz bearbeitet, was zu einer höheren Spezialisierung, einer einheitlichen Rechtsprechungslinie und gut eingespielten Abläufen im Gericht führt.
Erst allmählich wieder vor der Welle
Anders als die Richter in Trier haben zahlreiche Verwaltungsgerichte aber immer noch mit hohen Aktenbergen zu kämpfen, die in den Jahren 2016, 2017 und 2018 im Zuge der damaligen Flüchtlingsbewegung bei ihnen aufgelaufen sind. Die Gerichte kommen erst allmählich wieder vor die Welle.
Bund und Länder müssen nach den wuchtigen Worten beim jüngsten Migrationsgipfel also sehr schnell vom Ankündigungsmodus in den Umsetzungsmodus wechseln, sollen die hoch gesteckten Ziele am Ende nicht deutlich verfehlt werden. Nach den Erfahrungen mit dem 2021 von der Ampelkoalition versprochenen, aber bis heute nicht umgesetzten Bund-Länder-Rechtsstaatspakt zur personellen Verstärkung der Justiz ist allerdings eine gewisse Skepsis angebracht, ob die Verwaltungsgerichte in den kommenden Monaten tatsächlich überall hinreichend verstärkt werden.
Ein Beitrag von Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, für den Kölner Stadt-Anzeiger.